Logo der Universität Wien

Abstracts zu den Veranstaltungen

"Jeder Pädagog soll Anthropolog sein" - Über die Grundlagen einer Heilpädagogik bei Georgens und Deinhardt

(Johannes Gstach)

Georgens und Deinhardt legten in der ca. 1000 Seiten umfassenden Schrift "Die Heilpädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Idiotie und der Idiotenanstalten" ein zweibändiges Werk vor, das den Anspruch erhob, damit eine Wissenschaft zu begründen, die als "heilpädagogische Gesammtwissenschaft" bezeichnet werden sollte. Zwei Aufgaben solle der Heilpädagoge erfüllen: er solle "Anthropolog" werden und "Socialist". Umgelegt auf den wissenschaftlichen Anspruch der Heilpädagogik bedeutete dies, dass die Wissenschaft zwei Bereiche aufweisen sollte: eine Anthropologie und eine Untersuchung der gesellschaftlichen Zusammenhänge. Der Vortrag wird sich mit dem ersten Bereich dieser Wissenschaft, der Anthropologie, beschäftigen und die Frage behandeln, welche zeitgenössischen wissenschaftlichen Erkenntnisse für Georgens und Deinhardt bei der Formulierung ihrer Überlegungen von Bedeutung waren. Darüber hinaus soll untersucht werden, wie sich diese Sicht auf "Idioten" entwickelt hat und welche Bedeutung der Vorschlag hatte, "Idioten" unter einer anthropologischen Perspektive zu betrachten?

zurück zur Übersicht


Deinhardt statt Georgens. Zu den ideen- und sozialgeschichtlichen Kontexten der Levanapädagogik

(Christian Stöger)

In der heilpädagogischen Geschichtsschreibung gibt es einen alten Streit um Deinhardt und Georgens und ihren jeweiligen Anteil am Levanaprojekt. Grob vereinfachend lässt sich sagen, dass die österreichische Heilpädagogik bis 1938 (Salomon Krenberger, Theodor Heller) eindeutig für Deinhardt als Zentralfigur plädiert hat, während in Deutschland (Max Kirmsse) Georgens favorisiert wurde. Als die deutsche sonderpädagogische Historiographie der 1970er Jahre und frühen 80er Jahre (Walter Bachmann, Frank Selbmann) eine Biographie etc. zu Georgens vorlegt, ist die Streitfrage obsolet geworden und scheint zu dessen Gunsten geklärt. Diese Arbeiten sind m. E. als historiographische Grundlage der aktuellen Deutungen zur Levanapädagogik mehrfach problematisch. Das zu zeigen ist meine erste Absicht; die alte Position zu Deinhardt noch einmal zu stärken meine zweite, was ich mit biographischen und werkanalytischen Befunden bewerkstelligen möchte. Diese Neugewichtung eröffnet m. E. erst den Weg zu einer ideen- und sozialgeschichtlichen Einbettung der Levanapädagogik, aus der ihre (in den letzten Jahren häufig konstatierte) ungewöhnliche Modernität und ihr emanzipatorischer Charakter verständlich wird.

zurück zur Übersicht


Levana und die Folgen: Die Entstehung der Heilpädagogik als Disziplin

(Sieglind Ellger-Rüttgardt)

Die zweibändige Herausgabe der "Heilpädagogik" von Georgens und Deinhardt (1861/1863) repräsentiert den erstmaligen Versuch, die verschiedenen Gegenstandsbereiche "spezieller Pädagogiken" für behinderte Kinder und Jugendliche in systematischer Weise darzustellen. Insofern wird das Erscheinen dieses Werkes bis auf den heutigen Tag als Geburtsstunde einer speziellen Pädagogik betrachtet, die im Laufe der Zeit zwar ihren Namen wechselte (Heil-, Sonder-, Behinderten-, Rehabilitationspädagogik), die aber an der Idee bzw. Konstruktion eines eigenständigen pädagogischen Fachgebietes festhielt. Es soll der Frage nachgegangen werden, in welchem zeit- und ideengeschichtlichen Kontext die "Levana" entstand und welche Wirksamkeit sie für die weitere Entwicklung und Selbstdefinition des Faches "Heilpädagogik" hatte.

zurück zur Übersicht


Die Anfänge der Heilpädagogik im Spiegel historischer Quellen

(Sieglind Ellger-Rüttgardt/Johannes Gstach/Christian Stöger)

Im Rahmen des Workshops werden die Plenumsvorträge vertiefend diskutiert, wobei im Zentrum die Anfragen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen liegen sollen.

zurück zur Übersicht


Perspektiven, Möglichkeiten und Grenzen heilpädagogischer Rezeptionsforschung

(Michael Wininger)

Obwohl Rezeptionsforschung wichtige Zugänge zur disziplinhistorischen Selbstvergewisserung eröffnen kann, steht ihre Etablierung und methodische Fundierung in vielen Wissenschaftsbereichen - nicht zuletzt auch in der Heilpädagogik - noch weitgehend aus. Ausgehend von der Darstellung des Designs und ausgewählter Ergebnisse einer rezeptionshistorischen Studie soll der Workshop daher die Möglichkeit bieten, forschungsmethodische Aspekte, Chancen und Grenzen rezeptionshistorischer Bemühungen im Bereich der Heilpädagogik zu diskutieren.

zurück zur Übersicht


Die österreichische Heilpädagogik im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts

(Helga Schaukal-Kappus)

Der Freitod von Theodor Heller, nach dem Einmarsch der Nazi-Truppen im Jahre 1938, symbolisiert auch das jähe Ende einer schaffensreichen Periode der österreichischen Heilpädagogik, deren Schwerpunkt in Wien lag. Mit ihrer Opposition gegenüber eugenischem Gedankengut stemmte sie sich gegen bedenkliche Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts. Ihre inhaltliche Positionierung wie auch ihr nachhaltiger Einfluss auf die deutschsprachigen Länder macht sie auch heute noch zu einem interessanten Objekt historischer Forschung.

zurück zur Übersicht


Von Avantgarde, Akademisierung und Anpassung - Heilpädagogik im pädagogischen Diskurs zu Beginn des 20. Jahrhunderts

(Clemens Hillenbrand)

Ausgehend von der Bestimmung des Zusammenhangs von Allgemeiner Pädagogik und Heilpädagogik nach Georgens und Deinhardt untersucht der Beitrag die Frage nach dem heilpädagogischen Diskurs in der Weimarer Republik. Wie reagieren Vertreter der Heilpädagogik auf die Herausforderungen einer neuen pädagogischen Öffentlichkeit (Oelkers)? Wie wird die Heilpädagogik in ihren Institutionen und ihrer Publizistik rezipiert?
Hierzu sollen avantgardistische Experimente und deren Rezeption durch die Heilpädagogik analysiert werden. Die in der Weimarer Republik einsetzende Akademisierung der Heilpädagogik erfolgt durch Aufnahme wissenschaftlicher Theoreme, die nach eigenen Motiven gebrochen werden. Erste Ansätze einer institutionellen Akademisierung gelingen nur durch schwierige Koalitionen.
Die Analyse zeigt die Ausweitung der Fachdiskussionen mit einer großen Vielfalt bearbeiteter Themen, bei gleichzeitiger Dominanz der Bemühungen um Sicherung der eigenen Institutionen. Dieses Ziel führt auch zu höchst problematischen Anpassungen an öffentlich virulente Themen.

zurück zur Übersicht


Das Verhältnis von Medizin und Heilpädagogik - ein durch den Faschismus belastetes Erbe?

(Peter Rödler/Ernst Berger)

Die unglaubliche Tatsächlichkeit der Untaten der Medizin gegenüber Klienten der Heilpädagogik im Faschismus und die Verstrickung der Heilpädagogik in diese scheint dies zu einem traditionslosen, geschichtlich einzigarten überwundenen Phänomen zu machen. Dies übersieht die im 19. Jhd. entstandenen biologistischen Wurzeln aus denen heraus der Faschismus sich bildete, und die in bis heute wirksamen biologistischen Menschenbildern fortdauernd wirken. Erst heilpädagogische Positionen, die die Kulturalität ALLER Menschen zum Zentrum ihrer Überlegungen machen, können diesem Trend eine wirksame Gegenkraft entgegenstellen. Sie haben dabei auch die neueren (neuro)biologischen Erkenntnisse an ihrer Seite.

zurück zur Übersicht


Expansionen, Krisen, Kontroversen. Zur Entwicklung der Heilpädagogik im 20. Jahrhundert aus der Perspektive eines Mitgestalters - Andreas Möckel im Gespräch mit Wilfried Datler

(Andreas Möckel/Wilfried Datler)

Andreas Möckel zählt zur Gruppe jener Universitätsprofessoren, die an der Entwicklung der Heilpädagogik seit den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts unmittelbar beteiligt waren. Als akademischer Lehrer und Wissenschaftler hat er maßgeblich an der Profilbildung der wissenschaftlichen Disziplin der Heilpädagogik mitgewirkt und nicht zuletzt mit seiner "Geschichte der Heilpädagogik" die Sensibilität für die Auseinandersetzung mit historischen Zusammenhängen geschärft. Im Gespräch mit Andreas Möckel soll auf die jüngere Entwicklung der Heilpädagogik als wissenschaftliche Disziplin zurückgeblickt und die Gelegenheit genutzt werden, die Perspektive eines Mitgestalters kennen zu lernen und so Einblicke zu erhalten, die in öffentlich zugänglichen Schriften nur bedingt nachgelesen werden können.

zurück zur Übersicht


Quellenkritische Zugänge zu den Anfängen der Heilpädagogik in Österreich

(Helga Schaukal-Kappus)

Dieser Workshop dient der Vertiefung des Plenumsvortrages von Dr.in Schaukal-Kappus im Hinblick auf Quellen der österreichischen Heilpädagogik.

zurück zur Übersicht


Aspirationen - Hypotheken - Chancen: Eine Bilanz von 50 Jahren Heilpädagogik

(Vera Moser/Andrea Strachota)

Im Rahmen des Vortrages wird ein bilanzierender Rückblick auf die Heilpädagogik in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts geworfen. Der Bogen wird gespannt von den heilpädagogischen Grundlegungsversuchen, die zwischen 1972 (Bleidick, Kobi) und 1987/1990 (Speck, Jantzen) in jeweils erster Auflage vorgelegt wurden, bis hin zur (Auf)Forderung der heilpädagogischen Selbstauflösung in Theorie und Praxis. Chancen und Risiken liegen dabei auf der Hand: Spezialisierungen ziehen Exklusion nach sich, während Verallgemeinerungen und Dekategorisierungen offenbar Deprofessionalisierungen zur Folge haben. Inwieweit hat dies Folgen für die Heilpädagogik des 21. Jahrhunderts unter dem Eindruck der UN-Behindertenrechtskonvention?

zurück zur Übersicht


Mikrodynamik und Makrostrukturen - Herausforderungen und Gefahren zukünftiger Entwicklungen

(Gottfried Biewer/Wilfried Datler)

Der abschließende Beitrag möchte einen Blick in die Zukunft versuchen. Ausgehend von der Verbindung individualer und sozialer Perspektiven, die bereits im Werk von Georgens und Deinhardt angelegt sind, werden gegenwärtige fachliche Trends im Hinblick auf ihr Entwicklungspotential befragt. Eine Inklusive Pädagogik, die gesellschaftliche Zugänge in einen neuen Rahmen rückt, wie auch Entwicklungen der Neurowissenschaften, die den Blick auf das Individuum mit einer neuen Begrifflichkeit ausstatten, werden auf dem Hintergrund einer heilpädagogischen wie auch psychoanalytischen Forschungstradition beleuchtet. Neben kritischen Aspekten der neuen Entwicklungen gilt es vor allem das Potential der neuen Denkweisen für die Weiterentwicklung der Wissenschaften zu nutzen.

zurück zur Übersicht


Institut für Bildungswissenschaft
Abt. Bildung und Entwicklung
Universität Wien
Sensengasse 3a
A-1090 Wien
T: +43-1-4277-468 01
F: +43-1-4277-468 09
Universität Wien | Universitätsring 1 | 1010 Wien | T +43-1-4277-0
Letzte Änderung: 18.06.2011 - 10:54